Nebenjob: Verlagsleitung

Lesung von "Struktur, Tapete" am 21.11.2015 v.l. HerrTapete, Nicholas Wieling, Lars Hannig, Jennifer Günther, Caroline Königs, Stephanie Keunecke, Natascha Herkt

Lesung von „Struktur, Tapete“ am 21.11.2015
(v.l. HerrTapete, Nicholas Wieling, Lars Hannig, Jennifer Günther, Caroline Königs, Stephanie Keunecke, Natascha Herkt) Bild: Ruhrliteratur

Im Juni 2015 gründete Stephanie Keunecke den unabhängigen E-Book-Verlag Ruhrliteratur. Im Interview mit Digitur erzählt die junge Unternehmerin von der Gründung des Verlags, den Hürden auf dem Weg zur Selbstständigkeit und dem Spagat zwischen Studium und Arbeitsalltag.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, einen E-Book-Verlag zu gründen?

Durch einen Workshop. Nicola Richter, die Gründerin von mikrotext, hat an der Universität Essen einen Workshop zum Thema E-Book-Verlage gegeben. Daraus ist die Idee entstanden, es auch zu versuchen. Insgesamt haben wir uns am Anfang zu siebt zusammengesetzt und überlegt, wie man so einen Verlag in Eigenregie umsetzen kann. Nach und nach sind dann immer mehr Leute abgesprungen und ich war am Ende diejenige, die das Unternehmen gegründet hat.

Wie viel Starthilfe hat Dir dieser Workshop gegeben?

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich diesen Schritt wirklich gehen soll. Der Workshop hat mir gezeigt, dass es gar nicht so schwierig ist, einen Verlag zu gründen und mir die Angst vor der Selbstständigkeit genommen.

Was für Bücher oder E-Books verlegst Du genau?

Wir machen hauptsächlich Belletristik, also Geschichten, die das Leben schreibt, und gehen auch ein wenig in Richtung Krimi. Fantasy oder Science Fiction lassen wir zum Beispiel außen vor, weil es in dem Bereich viele andere Verlage gibt, die diesen Schwerpunkt setzen. Wir wollen uns wirklich auf Geschichten konzentrieren, die das Leben illustrieren.

Wie erreicht man Dich als AutorIn? Also wie kommt es dazu, dass Du ein Buch verlegst oder eben auch nicht?

Man kann über unsere Internetseite oder Facebook Kontakt aufnehmen. In der Regel schicken uns die AutorInnen dann ein Exposé zu, aus dem der Inhalt der Geschichte und die wichtigsten Figuren hervorgehen und das erklärt, wohin die „Reise“ der Geschichte geht. Auf Grundlage dieses Exposés wird dann entschieden, ob der Stoff etwas für den Verlag ist oder nicht. Wenn wir uns für die Geschichte entscheiden, bekommen wir den gesamten Text und bewerten diesen auch noch einmal. Wenn dann immer noch alles passt, wird es was. Es kann aber auch sein, dass der Text nicht erfüllt, was das Exposé versprochen hat, und das Buch doch nicht verlegt wird.

Wie viele Bücher sind denn schon publiziert worden?

Bisher sind es vier Bücher. Aber derzeit sind noch fünf Weitere in der Mache, die bis zum Sommer erscheinen sollen. Wir versuchen uns an den Erscheinungsrhythmen des Buchmarktes zu orientieren, vor allem, weil die Vorlaufzeit für einen Roman auch schon mal ein ¾ Jahr betragen kann.

Du erstellst die E-Books selber oder hast dies am Anfang getan. War das schwer?

Ja, das war schon ziemlich aufwendig und sehr zeitintensiv, weil man mit HTML-Codes arbeiten muss, um den Text im Grunde noch einmal zu formatieren. Also alles das, was zum Beispiel Word automatisch macht, muss man per Befehl formatieren, und da ich die Sprache nicht unbedingt gut beherrscht habe, musste ich mich da erst einmal reinarbeiten. Mittlerweile lasse ich die E-Books aber von externen Firmen erstellen.

Und warum verlegst Du E-Books und keine Print-Versionen?

Wir bieten mittlerweile auch Print-on-Demand an für Menschen, die nicht so für E-Books zu haben sind. Wir konzentrieren uns aber vor allem auf E-Books, weil gerade die jungen Leute, die ihr Smartphone immer dabei haben, ja auch darauf lesen können. Genauso ist es mit E-Book-Readern. Die sind praktisch, man kann sie überall mit hinnehmen, man kann in der Bahn lesen und die Bücher so überall abrufen. Und da die ganze digitale Welt immer mehr an Bedeutung gewinnt, warum soll nicht auch dort gute Literatur stärker vertreten sein?

Siehst Du Eure Zukunft dann auch vor allem im digitalen Bereich oder ausbaubar in den Print-Bereich?

Das kommt ein bisschen darauf an, wie es sich entwickelt. Der E-Book-Markt stagniert im Moment und man weiß nicht genau, wo die Reise hingehen wird. Außerdem hängt es natürlich auch davon ab, wie wir uns wirtschaftlich weiterentwickeln, denn so ein Druckkostenvorschuss kann schon mal in den fünfstelligen Bereich gehen, wenn man eine hohe Auflage oder mehrere Projekte drucken lassen möchte.

Was sagst Du zum Trend des Self Publishing? Wo ist der Vorteil, sich an einen Verlag zu wenden und nicht alles selbst zu machen?

Self Publishing hat meiner Meinung nach den entscheidenden Nachteil, dass man alles selbst in die Hand nehmen muss und dabei viele Fehler machen kann. Natürlich kann man auch einen selbstständigen Lektor beschäftigen, aber um Werbung und Finanzierung muss man sich selber kümmern. Der Vorteil von einem Verlag wie unserem ist, dass wir zum Beispiel das Lektorat übernehmen und somit noch einmal eine unabhängige Sicht auf den Text bieten. Außerdem machen wir Werbung, organisieren Lesungen und übernehmen die Kosten für die Veröffentlichung. Daher glaube ich auch nicht, dass das Verlagswesen am Self Publishing zu Grunde gehen wird, weil ein qualifiziertes Lektorat immer gefragt sein wird.

Kannst Du etwas zu dem Namen des Verlags erzählen? „Ruhrliteratur“ – wie ist es zu dieser Auswahl gekommen?

Es war schon klar, als wir über die Idee gesprochen haben, dass der Name etwas mit dem Ruhrgebiet zu tun haben soll. Und da „Ruhrliteratur“ ein schöner und klingender Name ist, haben wir uns dafür entschieden, statt einen Namen zu nehmen, der weniger aussagekräftig ist und nicht mit dem Ruhrgebiet in Verbindung steht.

Bild: Ruhrliteratur

Bild: Ruhrliteratur

Hängst Du sehr am Ruhrgebiet?

Ich bin ins Ruhrgebiet gezogen, um zu studieren und ich fühle mich hier sehr wohl. Meinen Master außerhalb des Ruhrgebiets zu machen, wäre für mich nicht in Frage gekommen. Ich bin gerne hier und fühle mich Zuhause. Mir gefällt die lockere Einstellung der Leute, die im Ruhrgebiet leben, und ich glaube auch, dass eben diese Einstellung einem das Geschäftsleben erleichtern kann.

Wie bringst Du Dein Studium und den Verlag unter einen Hut?

Das ist nicht so einfach. Es ist sehr viel mehr Arbeit, als ich am Anfang gedacht hätte. Eigentlich verbringe ich fast die ganze Zeit damit, Korrespondenzen zu führen, also Anfragen zu bearbeiten und mit den Autoren in Kontakt zu stehen. Außerdem ist es sehr zeitaufwendig, die Texte zu lesen, zu lektorieren, zu korrigieren und zu setzen. Eigentlich mache ich das alles in der Freizeit, obwohl es auch ein Fulltime-Job sein könnte.

Und warum nimmst Du diesen ganzen Stress auf Dich?

Weil ich schon immer im Verlag arbeiten wollte und es schwierig ist, Fuß in dem Bereich zu fassen. Daher habe ich beschlossen, es einfach mal selbst zu versuchen und dabei auch schon so viel gelernt, dass ich es nicht mehr missen möchte. Auch wenn es auf Dauer finanziell nicht klappen sollte, wenn ich den Verlag also aufgeben müsste, hat es sich trotzdem gelohnt, weil ich super viel gelernt habe und viel Spaß daran hatte.

Also möchtest Du auch anderen jungen Visionären Mut machen?

Ja, auf jeden Fall. Einen Versuch ist es immer wert. Und wenn man etwas unbedingt möchte, sollte man es auf jeden Fall versuchen, um es nicht irgendwann zu bereuen. Aber man muss sich natürlich auch über die Arbeit und die Pflichten im Klaren sein. Man sollte sich fragen, ob man wirklich der Typ dafür ist und genug Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen mitbringt. Denn gerade am Anfang läuft es immer ein bisschen schleppend. Aber irgendwann wird es einfacher und dann ist es auch schön, wenn man positive Resonanz bekommt.

Wie etabliert man sich denn nach einer Neugründung im Verlags-Business? Also wie baut man sich eine Nische als Verlag auf?

Wir haben möglichst viele Leute darüber informiert, dass wir den Verlag gegründet haben. Und die kennen dann wieder Leute und so weiter. So läuft das im Grunde über Mundpropaganda. Den Kontakt zu den Ruhrpoeten und zum Klartext-Verlag in Essen gab es aber schon. Da ist es natürlich auch wichtig, dass es dort Menschen gibt, die man zur Not etwas fragen kann. Andere sind durch Rezensionen in der Zeitung auf den Verlag gestoßen. So ist zum Beispiel auch ein Interview in der WAZ entstanden, das uns viel Aufmerksamkeit beschert hat. Außerdem läuft viel über unsere Website und über Facebook, wo wir über Wettbewerbe und Lesungen informieren. Seit Neuestem haben wir auch einen YouTube-Kanal.

Was ist Dein persönlicher Traum?

Mein Traum wäre es, wenn ich meinen E-Book-Verlag nach dem Studium in Vollzeit leiten könnte und dann auch Geld damit verdienen würde. Und darüber hinaus wäre es natürlich genial, wenn ich auch Leute einstellen könnte, die dann im Verlag mitarbeiten würden.

Vielen Dank für das Interview!
Larissa Cremer, Corinna Hess

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