Brecht am Apparat

Der Schriftsteller erzählt seine Geschichte und klingt dabei wie Axel Prahl, Bild: CCO pixabay.com

Besucht man das Berliner Ensemble, ist eines sicher – kein Weg führt an der Bertolt-Brecht-Statue vorbei, die den bekannten Theatervorplatz ziert. Brecht (1898–1956) steht hier eindeutig im Fokus und hat aufgrund seiner zentralen Position das von ihm und seiner Frau Helene Weigel (1900-1971) geprägte Theater im Blick. Neben ihm ist eines der Gedichte des Regisseurs, Dramatikers und Lyrikers zu lesen. Die ‚Fragen eines lesenden Arbeiters‘ laden zum Nachdenken ein – neben der Brecht-Figur ist hierfür stets ein Platz auf ihrer Bank frei. 

Wer jedoch einmal eine ganz andere Sicht auf die Statue bekommen möchte, sollte sich einer kleinen, rechts neben der Figur platzierten Tafel widmen. „Bertolt Brecht ruft dich an!“ steht dort in großen Lettern geschrieben. Und genau das tut die Talking Statue, sobald ein auf der Tafel zu findender QR-Code mit einem Smartphone eingescannt wird. Mit der Stimme des deutschen Schauspielers Axel Prahl versehen, ruft Bertolt Brecht InteressentInnen an und erzählt Teile seiner Geschichte – „[…] bekannte Persönlichkeiten hauchen Denkmälern Leben ein“ heißt es auf der Website des multimedialen Projekts.

Talking Statues Berlin wurde von der Organisation Kulturprojekte Berlin initiiert und ist eine neue Form der Kulturvermittlung, die sich in die digitale und stetig wandelnde Welt einfügt. Brecht ist neben dem Denkmal des Hauptmanns von Köpenick vor dem Rathaus Köpenick seit 2017 Teil der etwas anderen Kunstausstellung. Doch schon seit dem 29.08.2015, einer Langen Nacht der Museen, kann mit Denkmälern und Kunstwerken in ganz Berlin telefoniert werden. Die Käthe-Kollwitz-Plastik von Gustav Seitz auf dem Kollwitz-Platz in Berlin-Pankow ist ebenso Teil des Projekts wie das Heinrich-Zille-Denkmal von Thorsten Stegmann im Nikolaiviertel, das Lise-Meitner-Denkmal von Anna Franziska Schwarzbach im Ehrenhof der Humboldt-Universität zu Berlin, das Marx-Engels-Denkmal von Ludwig Engelhardt in Berlin Mitte und der Löwe von August Gaul im Kolonnadenhof der Alten Nationalgalerie. Alle dazugehörigen Texte wurden von der Berliner Schriftstellerin und Journalistin Nadja Klinger verfasst und von dem Schriftsteller und Schauspieler Daniel Brunet ins Englische übersetzt. Er ist es auch, der den männlichen Figuren in der englischen Fassung eine Stimme gibt, während die weiblichen Figuren in der englischen Version von Catherine Duquette gesprochen werden.

Was schnell deutlich wird – das Kulturprojekt, das zuvor schon in Kopenhagen und London existierte, vereint analoge und digitale Aspekte der Kunst und liefert neue Sichtweisen auf die Geschichte bestimmter öffentlicher Objekte. Die Stimmen von Axel Prahl, Katharina Thalbach, Walter Plathe, Sandra Maischberger, Gregor Gysi und Dietmar Wunder veranschaulichen aber auch die Zusammenarbeit von Kunst- und Kulturschaffenden. Auf der ersten Ebene befinden sich die ursprünglichen KünstlerInnen der Objekte, dazu stoßen die KulturvermittlerInnen und die Stimmen der SprachkünstlerInnen. Ebenfalls Teil haben diejenigen, die auf der letzten Ebene mitwirken – die Personen, die sich mittels ihrer Smartphones Informationen einholen. Die Talking Statues bedienen sich also einem Konzept, das für kulturelle Interaktion steht.

Reicht Axel Prahls Stimme einigen nicht, um die Welt Bertolt Brechts zu verstehen, kann immer noch eines seiner vielen literarischen Werke in die Hand genommen oder ein Theaterstück besucht werden. Die Brecht-Weigel-Gedenkstätte lässt darüber hinaus Einblicke in die privaten Arbeits- und Wohnräume des Literaten zu. Ein Berlinbesuch auf den Spuren Brechts, wäre das nicht was?

Julia Bergemann

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